PRESSEINFORMATION
NOVEMBER 2005/3

Bürgermeister meidet Bürger
Groß Enzersdorfs Bürgermeister Rainer Hübl verweigert jegliches öffentliche Gespräch über die S1: „Kann nichts Konkretes zur Diskussion beitragen“

Groß Enzersdorf – Ein Bürgermeister, der nicht mit seiner Bevölkerung reden will, Stadtpolitiker, die fast ausnahmslos uninformiert sind – und das über ein Projekt, das Groß Enzersdorf maßgeblich und nachhaltig verändern wird.

24 Gemeinderäte, Bürgermeister Rainer Hübl, Vizebürgermeister und Stadtrat Hans-Jürgen Hegendorfer und weitere sieben Stadträte waren von der BürgerInitiative Marchfeld – Groß Enzersdorf persönlich per Brief eingeladen, sich am 23. 11. 2005 den Fragen ihrer Bevölkerung in Sachen Lobau-Autobahn zu stellen. Den Weg auf das Podium fanden am 23.11.2005 – neben dem ebenfalls eingeladenen neuen Gänserndorfer Wirtschaftskammer- Obmann und Speditionsunternehmer Herbert Röhrer – nur Stadtrat Ing. Karl Pfandlbauer (Ressort Straßenbau und Verkehr/ÖVP), Gemeinderat Andreas Vanek (Grüne) und Gemeinderat Ing. Hubert Tomsic (SPÖ). Zwei weitere Gemeinderäte setzten sich immerhin ins Publikum, was auch Umwelt- und Gesundheitsstadtrat DI Dr. Peter Cepuder (ÖVP) vorzog.  

Kaum waren die einleitenden Worte gesprochen, kam unter der Leitung von Ingrid Erkin, langjährige Modaratorin beim ORF, eine recht hitzige Diskussion im gefüllten Saal in Gange. Empörte Bürgerinnen und Bürger aus Groß Enzersdorf und Essling wollten wissen „warum wird bei uns die Autobahn durch Wohngebiet gebaut?“. Die dazugehörige Vorgeschichte erläuterte SPÖ-Gemeinderat Tomsic: 1999 gab es einen S1-Trassenvorschlag in der Nähe des Donau-Oder-Kanals, den die Gemeinde ablehnte. Schon zu dieser Zeit plädierten Groß Enzersdorfs Stadtpolitiker für eine Autobahn entlang der Stadtgrenze. Im Jahr 2003 wurde gegen die Stimmen der Grünen Gemeinderatsfraktion eine Resolution für die „S1-Außenvariante“ beschlossen: „ Der Gemeinderat der Stadtgemeinde Groß Enzersdorf befürwortet die Trassenführung entlang der östlichen Landesgrenze Wien/NÖ im Bereich der Guntherstraße wie mit den zuständigen Stellen im Land NÖ besprochen.“ Damit hat die Stadtgemeinde Groß Enzersdorf massiv und in Absprache mit dem Land Niederösterreich schon während des laufenden Verfahrens der Variantensuche die Außenvariante gefordert.

Im Gespräch mit der Bürgerinitiative im Juni gab sich Groß Enzersdorfs Bürgermeister aber gänzlich unwissend: „Wir wurden von der Trasse entlang der Stadtgrenze überrascht und haben davon nur aus den Medien erfahren.“

Viele der Anwesenden drückten daher ihren Unmut sehr direkt aus: „Flugzeugstarts und Nachtflugverkehr hat Bürgermeister Hübl über Groß Enzersdorf erlaubt und jetzt auch das noch.“ – „Hübl ist für die Gemeinde da und nicht umgekehrt.“

Nicht nur BürgerInnen brachten ihre Unzufriedenheit mit Bürgermeister Hübl zum Ausdruck, auch Stadtrat Ing. Karl Pfandlbauer kritisierte, dass es die Stadtgemeinde verabsäumt habe, frühzeitig in die Diskussion um die S1 einzusteigen und so eine fundierte Entscheidung zu treffen zu können. Da die SPÖ die absolute Mehrheit im Gemeinderat hält, sei es laut Pfandlbauer unmöglich, auch nur einen Beschluss über die Heranziehung von unabhänigigen Experten zu fassen.

Angesprochen auf das Thema Feinstaub beklagte der im Pubikum sitzende Stadtrat DI Dr. Peter Cepuder (ÖVP), dass die Feinstaubbelastung in Wien zu 60 % aus dem Ausland komme. Er sprach sich dafür aus, den beim Tunnelende geplanten 30 Meter hohen Abluftschlot für den 8,5 km langen Tunnel unter der Lobau „ein Stück weiter nach oben“, also Richtung Raasdorf, zu versetzen. Denn Feinstaub wirke sich ja „nur 40 Meter neben der Autobahn aus“, so Cepuder weiter.

Der krasse Widerspruch zwischen dem Beklagen über den zig Kilometer weit importierten Feinstaub einerseits und der Behauptung, dass sich durch das Verschieben des Abluftschlots um 100 Meter das Problem lösen würde auf der anderen Seite, führte im Publikum zu einigem Kopfschütteln. Cepuder betonte, er sei nicht glücklich über die jetzige Lösung, „aber die Autobahn brauchen wir, die S1 bringt der Wirtschaft für den Transport etwas“. Diese Bemerkung veranlasste sogar die Moderatorin nachzuhaken: „Sind Sie Wirtschafts- oder Umwelt- und Gesundheitsstadtrat?“ Cepuders Zuständigkeit ist das Ressort für Umwelt und Gesundheit. Erkin: „Und da wollen Sie noch eine Zunahme des Feinstaubs?“

Auf viele Fragen der betroffenen Bevölkerung etwa nach der Tunneltiefe, der Abgasmenge, nach Filtermöglichkeiten für Schadstoffe etc. lautete die Antwort der anwesenden Gemeinderäte „Mir fehlen die Informationen“. Einzig Ing. Andreas Vanek von den Groß Enzersdorfer Grünen hatte sich mit dem Thema schon eingehend auseinander gesetzt und konnte mit Alternativvorschlägen und Fakten antworten.

Moderatorin Erkin beschloss die Diskussion mit der Frage an das Publikum „Was wünschen Sie sich von Ihren Politikern?“ Der erste Wunsch: „Gleiche Rechte für alle Lebenwesen“, der Mensch solle den gleichen Schutz genießen, wie ein Frosch in der Au. Weiters wurden der Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel und Ortsumfahrungen gefordert sowie ein anderer Umgang mit Steuergeldern: „Keine Steuergelder für ein Fass ohne Boden“ und vor allem keine internationale Transitautobahn.

Bezogen auf die politische Situation in Groß Enzersdorf wurde der Wunsch nach einem Gemeinderat laut, „in dem alle an einem Strang ziehen und informiert sind“. „Ich bin enttäuscht vom Podium, ich wünsche mir Daten, Zahlen, Fakten und informierte Stadträte.“ Wirklich fassungslos waren aber viele vom Nicht-Erscheinen ihres Bürgermeisters: „Wie gibt es das, dass der Bürgermeister einfach nicht anwesend ist?“

Rückfragehinweis:
Presse/Koordination:Margit Huber; E-Mail: info@s1-bim.at; Telefon 0699 /18 23 09 65