PRESSEINFORMATION
19. März 2008

Trockene Brunnen und überflutete Keller
Groß Enzersdorfer und Donaustädter blicken besorgt in die Zukunft

Groß Enzersdorf – Unter dem Motto „Tunnel her - Wasser hin?“ informierte Dr. Josef Lueger Interessierte und Anrainer bei einer Veranstaltung der BürgerInitiative Marchfeld – Groß Enzersdorf (BIM) am Freitag, 14. März 2008 über die Auswirkungen des Lobau-Tunnels auf die Grundwassersituation in der Umgebung.

Den Auftakt des Abends bildete ein interessanter Vortrag des Biologen Andreas Pruner über die Schönheiten der Lobau. Dann machte Dr. Josef Lueger einen Schwenk zu dem Bauwerk, das für die Lobau und ihre Bewohner ein großes Risiko birgt, zum Lobau-Tunnel. Aufgrund der Projektunterlagen analysierte Dr. Lueger, Zivilingenieur für Technische Geologie und gerichtlich beeideter Sachverständiger, Untergrund, Bauweise und vor allem die Auswirkungen des Lobau-Tunnels auf die Grundwassersituation in der Umgebung.

Schon 2003 sei klar gewesen dass der Untergrund nicht so ist, wie die projektbetreibenden Politiker sich das vorgestellt hatten, so Dr. Lueger. Der Grund für die schwierige Situation: Der geplante Tunnel liegt mitten im Wiener Becken, einer geologischen Zerrungszone. Der Untergrund sinkt nach wie vor um 1 mm pro Jahr ab. Allein das bedeutet, dass sich der Tunnel um 1 cm in 10 Jahren bewege, was für so ein sensibles Bauwerk natürlich große Gefahren wie Risse etc. mit sich bringen würde. Der Untergrund sei bei weitem nicht so einfach, wie in den Projektunterlagen dargestellt: Sande und Schotter stehen miteinander und mit dem Grundwasserkörper in Verbindung. Es gebe keinen kompakten Untergrund. Damit falle, laut Dr. Lueger, die Argumentation für den Tunnel komplett in sich zusammen.

Für die Hausbesitzer - und auch die Natur - an den beiden Tunnel-Portalen Schwechat und Groß Enzersdorf würde bereits die Errichtung der riesigen Baugruben enorme Auswirkungen haben. Die Baugrube in Schwechat ist mit 700 m Länge und 35 m Tiefe dimensioniert, ähnlich auf Groß Endersdorfer Seite. Damit in dieser Tiefe überhaupt gebaut werden kann, müssen zuerst 60 m tiefe Spundwände errichtet und in der Tiefer verankert werden, die das Wasser von den Baugruben fernhalten sollen. Zur Errichtung der Betonwände muss jedoch zuerst das Wasser abgepumpt werden. Mehrere riesige Brunnen zu beiden Seiten werden enorme Wassermengen absaugen müssen, damit mit dem Bau begonnen werden kann. Durch das Abpumpen dieser Wassermassen entstehen sogenannte Absenkungstrichter, die weit über die 1-km-Grenze hinausreichen können. Der Grundwasserspiegel wird also in einem weiten Umkreis rund um die Baugruben um ca. 20 m sinken.

Die Projektunterlagen seien in diesem Punkt - wie laut Dr. Lueger auch in vielen anderen - derart oberflächlich, dass man die Auswirkungen ohne Expertenwissen nicht konkret benennen und erkennen könne. „Ein Vorteil für die Planer, weil die Leute erst dann schreien, wenn’s zu spät ist“, so Dr. Lueger.

Wenn die Spundwände fertig sind, ist der Grundwasserstrom an der nördlichen und südlichen Rampe über eine Länge von ca. 700 m komplett unterbrochen - und zwar auf Dauer. Zwar sind sog. Düker, Rohre unter dem Baukörper, durch die das Wasser dann fließen soll, in den Unterlagen als Lösung genannt. Die Haken dabei: Diese Düker müssen ausreichend dimensioniert sein, in sehr kurzen Abständen platziert werden und brauchen ständige Wartung, damit sie nicht verstopfen. Die Projektunterlagen geben auch hierzu fast keine Auskunft, es sind auch keine Kosten dafür veranschlagt. Eine Frage aus dem Publikum dazu: „Was ist, wenn die Hausbrunnen trocken sind, die Projektbetreiber aber behaupten, es funktioniere alles?“ Man könne klagen und müsse Beweise vorlegen, die die Projektbetreiber belasten, so die Antwort „Soll dann der Brunnenbesitzer mit dem Schauferl 60 m hinunter graben und beweisen, dass die Düker verstopft sind?“, strich Dr. Lueger die damit verbundenen Probleme für „den kleinen Mann“ provokant heraus.

Die trockenen Brunnen und der dramatisch abgefallene Grundwasserspiegel sind das Problem, mit dem man im Raum Groß Enzersdorf - und natürlich auch auf Schwechater Seite - rechnen muss. In der Donaustadt kann davon ausgegangen werden, dass es zu Überflutungen der Keller komme. Denn die riesigen Spundwände wirken wie Dämme.

Eine weitere Gefahr für das Grundwasser sieht Dr. Lueger in der Bauweise an sich, die so ein Bauwerk verlangt: Damit die riesigen Maschinen mit 14 m Durchmesser im Untergrund überhaupt arbeiten können, muss eine Stützflüssigkeit (enthält Chemikalien, Stabilisatoren, Zusatzstoffe) voraus injiziert werden, die das Material verfestigt. Dazu existieren ebenfalls keine genauen Unterlagen. Es gibt jedoch bereits mehrere Beispiele in Norwegen und Schweden, wie durch solche Stützflüssigkeiten das Grundwasser ganzer Regionen vergiftet worden ist. „100.000 Brunnen wurden vergiftet, Weidetiere sind einfach tot umgefallen“, so die dramatischen Folgen für Mensch und Umwelt. Zudem müssen nicht nur die Bohrstellen, sondern streckenweise ganze Längen direkt abgedichtet werden. Lt. Lueger hält das jeweils für einige Monate, bevor erneut abgedichtet werden muss, was an den vielen geologischen Bruchbewegungen in unserer Gegend liegt.

Unter der versierten Moderation von Ingrid Erkyn äußerten viele der Anwesenden ihre Sorge sowohl um die bedrohliche Grundwassersituation zu beiden Seiten des Tunnels, als auch um die Auswirkungen auf die Flora und Fauna der Lobau.

Das von Dr. Lueger gezeichnete Szenario erhitzte die Gemüter: Nach zwei informativen und hochinteressanten Vorträgen und vielen Publikumsfragen, dauerten die lebhaften Gespräche auch nach dem offiziellen Ende der Veranstaltung noch lange Zeit an.

 

 

 

Dieser Text und einige Bilder der Veranstaltung sind auch online zum Download verfügbar unter http://www.s1-bim.at/_pressemitt.htm (19. März 2008)


Rückfragehinweis:
Presse/Koordination: Margit Huber; E-Mail: info@s1-bim.at; Telefon 0699 /18 23 09 65