PRESSEINFORMATION
22. November 2008


Lobau-Tunnel: Ablehnung massiv gewachsen
Experten werfen Asfinag mangelnde Transparenz vor

Groß Enzersdorf – Unter dem Motto „Grundwasserstau durch Autobahnbau?“ kam es im bis auf den letzten Stehplatz gefüllten Stadtsaal zu einer mehr als dreistündigen, äußerst lebhaften Diskussion zwischen AnrainerInnen aus Essling bzw. Groß Enzersdorf und den Experten am Podium.

Am Podium diskutierten neben DI Andreas Fromm, Projektleiter der S1, und dem im Autrag der Asfinag am Lobau-Tunnel arbeitenden Geologen DI Ditmar Kreysler, auch Dr. Josef Lueger, Ingenieurgeologe und gerichtlich beeideter Sachverständiger, sowie Univ.-Prof. Dr. Friedrich Schiemer, Gewässerökologe an der Universität Wien.

Schon nach der Eröffnungsrunde war klar: So groß wie der Andrang des Publikums, so groß war auch die Anzahl der mitgebrachten Fragen. Und genauso wie sich die Experten am Podium vorbereitet hatten, war auch das Publikum vorbereitet. Die Fragestellungen bewegten sich allesamt auf einem hohen Niveau. Auf sehr konkrete Fragen aus dem Publikum - Wie oft werden die Düker (Rohre unter dem Baukörper, durch die das Wasser dann fließen soll) entschlammt? Welche chemischen Zusätze sind in den Abdichtungsmaterialen beim Tunnelbau? Welche Studien dienen als Basis der Gewässermodellierungen? Wer kommt für Schäden auf, die entstehen? Usw. - gab die Asfinag ausschließlich ausweichende und unvollständige Antworten und verwies gebetsmühlenartig auf die UVP.

Erstmals wurde auch bekannt, dass Düker nur in den Bereichen, in denen der Tunnel an die Oberfläche kommen soll, geplant sind. Im gesamten Bereich des Nationalparks würde der Tunnel eine Grundwasserbarriere ohne Düker bilden.

Dr. Lueger warnte die Betroffenen davor, sich auf die UVP zu verlassen. Die UVP sei nur ein „Projektverwirklichungsverfahren“, man könne sich auf die „Aussagen der Projektanten und Behörden nicht verlassen“. Er untermauerte seine Behauptung mit Erfahrungen beim Bau des Lainzer Tunnels, wo im Gutachterstreit ÖBB, Baufirmen und Behörden wissentlich die Unwahrheit über die Beschaffenheit des Gesteins vertreten haben. Ebenso verwies Lueger auf ein kritisches Gutachten des Umweltforums, dem Lueger und Schiemer angehören, zum Donau-Ausbau, das im Verfahren völlig ignoriert wurde. „Warum sollte es beim Bau des Lobau-Tunnels anders sein?“, so Lueger.

Die bereits im März dieses Jahres von Dr. Lueger ausgesprochene Warnung vor einem Absinken des Grundwasserspiegels in Groß Enzersdorf bzw. einem Anstieg auf Esslinger Seite durch den Bau des geplanten Lobau-Tunnels, wurde von Univ.-Prof. Dr. Schiemer unterstrichen: „Spiegelveränderungen sind sehr wahrscheinlich.“

Doch nicht nur das. Die Asfinag erläuterte die Bauweise des Tunnels an den Portalen, also in direkter Siedlungsnähe. Dabei werden Schmalwände in den Boden gerüttelt, um das Wasser von den Baugruben abzuhalten. Aus dem Publikum kam die Frage, ob es dabei nicht zu Erschütterungen und möglicherweise zu Rissen im Mauerwerk der angrenzenden Häuser komme. Wer käme dann für die Schäden auf? „Wir wissen, dass die Bauphase eine erhebliche Belastung für die Anrainer ist. Es wird Erschütterungsmessungen geben“, so die lapidare Antwort der Asfinag. Auf die Frage nach Abgeltung von Schäden kam keine Antwort. Jedoch eine Warnung von Dr. Lueger, der bereits jahrzehntelange Erfahrung mit Großprojekten aufweisen kann. Geschädigte müssten die Asfinag klagen und zwar durch alle Instanzen, um zu ihrem Recht zu kommen. „Das steht niemand finanziell und psychisch durch.“ Rüdiger Maresch, Umweltsprecher im Grünen Klub im Rathaus, dazu: „Die Beweislast liegt hier im Saal, das kann’s nicht sein. Ich hätte gerne, dass die Beweislast den Bürgern von der Asfinag abgenommen wird.“

Beide, Lueger und Schiemer, forderten die Asfinag mehrmals während der lebhaften Diskussion auf, sämtliche Unterlagen mitsamt der verwendeten Berechnungssoftware, auf denen die Grundwasserberechnungen zum Lobau-Tunnel beruhen, zur Einsicht herauszugeben, damit eine echte Bürgerbeteiligung möglich werde und unabhängige Experten die Möglichkeit hätten, die Asfinag-Berechnungen nachzurechnen. DI Fromm, Asfinag-Projektleiter, vertrat die Position, „Wir sind schon in einem echten Bürgerbeteiligungsverfahren.“ Was laute Buh-Rufe aus dem Publikum zur Folge hatte und den Hinweis, dass zB der Öffentlichkeit nur ein einziger Bohrkern zugänglich gemacht wurde. Fromm verwies zum wiederholten Male auf die UVP und wollte die aufgebrachten BürgerInnen beschwichtigen: „In den Unterlagen steht unsere Wahrheit drinnen.“

Schiemer dazu: „Es ist sehr viel Material vorhanden, die Interpretation kann jedoch eine sehr einseitige sein. Es ist auffällig, dass das internationale Gebot von Transparenz und Bürgerbeteiligung hier nicht so gespielt wird, wie das üblich ist.“

Nach über drei Stunden und unzähligen offenen Fragen beendete die Moderatorin die Diskussion. Es sollte allein um das Thema Grundwasser gehen. Doch aus dem Publikum kamen zahlreiche Fragen, die das gesamte Projekt in Frage stellten.

Dieser Text und einige Bilder der Veranstaltungen sind auch online zum Download verfügbar unter http://www.s1-bim.at/_pressemitt.htm (22. Nov. 2008)

 

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