PRESSEINFORMATION
27. April 2009

Riesenbauten sind durch Menschen schlecht beherrschbar
Lobau-Tunnel als zukünftiger Schauplatz eines Tunnel-Super-GAUS

Groß Enzersdorf – „Nicht nur was technisch machbar ist, darf realisiert werden, sondern was auch im Ernstfall technisch beherrschbar ist!“ so der Tunnelsicherheitsexperte Österreichs bei seinem Vortrag zum Lobau-Tunnel vergangenen Donnerstag in Groß Enzersdorf.

Univ.-Lektor OSR Dr. Otto Widetschek, Präsident des Brandschutzforums Austria, ehemaliger Branddirektor von Graz und Berater in Sicherheitsfragen für den Plabutsch-Tunnel, zeigte auf Einladung der BürgerInitiative Marchfeld - Groß Enzersdorf im gut gefüllten Stadtsaal von Groß Enzersdorf, was Tunnelkatastrophen wirklich bedeuten.

Er ließ die großen Tunnelkatastrophen der letzten Jahrzehnte Revue passieren. Traurige Tatsache dabei: Tunnelbrände sind kaum beherrschbar. 24.000 Lackspraydosen verursachten beispielsweise den Tauerntunnel-Brand von 1999, bei dem 12 Menschen ums Leben kamen. Es brannte in nur 750 Metern Entfernung vom Tunnelportal, dennoch war der Brand für die Einsatzkräfte nicht beherrschbar. Der Brand dauerte 10 Stunden, der Tunnel brannte aus. Es braucht auch kein Gefahrengut, um einen Tunnelbrand zum Inferno werden zu lassen. Im Mont Blanc-Tunnel reichten Mehl, Margarine und eine brennende Zigarette, um eine Katastrophe auszulösen, die 39 Menschen das Leben kostete. Auch dieser Brand konnte nicht gelöscht werden. Es dauerte 40 Stunden, bis der Tunnel ausgebrannt war.

Für die Einsatzkräfte und Unfallopfer im Tunnel sind solche Szenarien blanker Horror. In einem Tunnel dauert es nur fünf Minuten, bis ein Brand die Temperatur von 1200 Grad erreicht. Ein Vordringen der Feuerwehr ist unter diesen Bedingungen nicht möglich.
Bei enormer Hitze, Rauchentwicklung, mit Atemschutzgerät und der erforderlichen, schweren Ausrüstung dauert die Rettung eines Verletzten, sofern der Feuerwehrmann bestens trainiert und geübt ist, über 100 Meter volle 15 Minuten. Die Querstollen, die der Rettung dienen sollten, sind im Lobau-Tunnel nur alle 250 Meter vorgesehen. Nach spätestens 20 Minuten sollte ein Rettungsmann unter diesen Bedingungen jedoch schon wieder abgelöst werden.

Widetschek kritisierte in diesem Zusammenhang die „Rette dich selbst“-Mentalität, die bei Österreichs Tunnelplanern vorherrsche. Beim Tunnelbau mache man das Wichtigste nicht: automatische Löschanlagen, Betriebsfeuerwehren in ständiger Bereitschaft und mit der entsprechenden Ausrüstung, redundante Systeme für Strom- und Wasserversorgung und Anderes fielen dem Kostendenken zum Opfer. Tunnel wären dann nämlich nicht mehr finanzierbar. Zudem sei es völlig unverständlich, warum in Gebäuden die maximale Fluchtweglänge mit 40 m vorgeschrieben ist, für Tunnel jedoch andere gesetzliche Bestimmungen gelten würden.

Sicherheitsaspekte würden nicht in der UVP behandelt, sondern von anderen Behörden geprüft. Betroffene Feuerwehren, Gemeinden, ja nicht einmal die Länder hätten da etwas mitzureden, so der Vortragende auf die Frage aus dem Publikum, wie man bessere Schutzeinrichtungen im Tunnel durchsetzen könne.

Auch die Gefahren, die den AnrainerInnen im Falle eines Brandes drohen würden, beschäftigten das Publikum: „Was passiert, wenn es im Tunnel brennt und beim Portal der Rauch und giftige Gase ausgeblasen werden?“ Es müssen Katastrophenalarmpläne gemacht werden, um die Leute bei Tag oder Nacht jederzeit verständigen zu können, so der Sicherheitsexperte. Die Einwohner in einem bestimmten Umkreis müssten sofort alle Fenster schließen und in ihren Häusern bleiben. Alternativ wäre auch eine Evakuierung möglich.

Probleme beim Lobau-Tunnel ortet Widetschek vor allem bei der Fluchtwegsituation und der Lüftung. „Ich glaube, es ist nicht machbar, nur über die Portale zu entlüften.“
Die Fluchtwege sind so geplant, dass man alle 250 über Querstollen in die Gegenfahrbahn-Tunnelröhre flüchten kann. In den Querschlägen sind aber keine Schleusen vorgesehen, so könnte Rauch in die zweite Röhre eindringen.
Auf die Frage aus dem Publikum, wie denn ein Rettungseinsatz aussehen würde, wäre die auch zweite Röhre blockiert - etwa durch einen Unfall mit flüchtenden Menschen aus der anderen Tunnelröhre, der ja leicht passieren könnten, wenn Menschen in Panik auf die Gegenfahrbahn laufen -, meinte Widetschek nur: „Wenn die zweite Röhre nicht leer ist, dann gibt’s ein Problem...“ Für den Lobau-Tunnel ist nämlich kein Rettungsstollen vorgesehen.

Probleme könnte es auch mit auslaufenden Stoffen, etwa Diesel, geben. Das Auffangbecken für solche Umweltgifte ist im Süden des Tunnels geplant, dh. bei der größten Steigung müsse hoch gepumpt werden. Es gäbe in Österreich keinen Tunnel mit einem vergleichbar hohen Gefälle.

Zum Lobau-Tunnel allgemein äußerte sich der Vortragende noch in seinen abschließenden Sätzen: „Ich bin auch der Meinung, dass man versuchen sollte, andere Lösungen zu finden. Denn „Riesenbauten sind durch Menschen nur schlecht beherrschbar“, wie er eingangs postulierte.

 

Dieser Text und einige Bilder der Veranstaltungen sind auch online zum Download verfügbar unter http://www.s1-bim.at/_pressemitt.htm (27. April. 2009)

Rückfragehinweis:
Presse/Koordination: Margit Huber; E-Mail: info@s1-bim.at; Telefon 0699 /18 23 09 65