„Runder Tisch Lobau“ beendet

Mit folgender Presseaussendung und einer Pressekonferenz haben heute wir sieben am Runden Tisch Lobau beteiligten Umweltorganisationen und Bürgerinitiativen (Greenpeace, Global 2000, Virus, Rettet die Lobau, Mahnwache Lobau, Bignot und BürgerInitiative Marchfeld - Groß Enzersdorf) unsere Teilnahme am Runden Tisch aufgekündigt:

Gemeinsame Presseaussendung der Umweltorganisationen und Bürgerinitiativen vom 23. Juli 2007:

UmweltschützerInnen beenden den "Runden Tisch" zur Lobau
Land NÖ und Wien nehmen Dialog mit BürgerInnen nicht ernst genug.

Wien (OTS) - Im Rahmen einer Pressekonferenz gaben heute die sieben beteiligten Bürgerinitiativen und Umweltschutzorganisationen ihren Ausstieg aus dem Runden Tisch zur Verkehrsproblematik im Nordosten Österreichs bekannt. Sie werden an der für morgen angesetzten vierten Sitzung des Runden Tisches nicht mehr teilnehmen. Der Runde Tisch wurde anlässlich der Blockade der Probebohrungen für die Lobau-Autobahn als Dialogforum zwischen UmweltschützerInnen und Regierungsorganisationen gegründet. "Die Länder Wien und Niederösterreich haben jede ernsthafte verkehrspolitische Arbeit abgelehnt. Offenbar sind diese Länder dialogunfähig und verstehen nur die Sprache des Widerstandes", meinen die UmweltschützerInnen übereinstimmend. "Das Fass zum Überlaufen brachte die mehr als dürftige Zusammenfassung des derzeitigen Diskussionsstandes." In diesem Papier sind die Beiträge der UmweltschützerInnen in keiner Weise vertreten, Umweltproblematik und Klimaschutz werden unter den Tisch gekehrt. Daher kamen die beteiligten Bürgerinitiativen und Umweltschutzorganisationen zu dem Schluss, dass eine Fortführung des Runden Tisches mit den derzeitigen Akteuren aus Wien und Niederösterreich völlig sinnlos ist.

Für Andreas Pruner von der "Mahnwache Lobau" bleibt der Eindruck zurück, dass der Runde Tisch von den Vertretern der Länder Wien und Niederösterreich nicht ernst genommen wurde. Für die Umweltschutzorganisationen GLOBAL 2000 und Greenpeace ist der Bau von Autobahnen mit Klimaschutz unvereinbar. Daher legten die UmweltschützerInnen eine Frageliste vor, um zu klären, wie viele zusätzliche Treibhausgas-Emissionen der Betrieb der geplanten Autobahn verursachen wird. Die Antworten sind bis heute ausständig. "Entweder werden uns die Daten von Wien und Niederösterreich absichtlich vorenthalten oder diese existieren tatsächlich nicht. Letzteres wäre ein krasses Beispiel für unprofessionelles und verantwortungsloses Vorgehen. Denn wie kann man Autobahnen - wie jene durch die Lobau - planen, ohne über deren Konsequenzen und Folgeschäden Bescheid zu wissen", fragt sich Heinz Högelsberger, Verkehrsreferent von GLOBAL 2000. Bei China die Bekämpfung des Klimawandels einzufordern - wie kürzlich von einem Landesvertreter argumentiert wurde - und keinen Handlungsbedarf in der österreichischen Verkehrspolitik zu sehen, erscheint in einem Lobau-Dialog wie ein schlechter Witz.

"Für uns Bürgerinitiativen ist es völlig unverständlich, dass es im Rahmen des Runden Tisches nur zu einer einzigen realisierten Maßnahme gekommen ist, nämlich einem Anrufsammeltaxi für das Gebiet Eßling. Damit lassen wir uns nicht abspeisen! Wir sind offen und guter Dinge in die Verhandlungen gegangen und wurden schwer enttäuscht. Das ist ein weiteres Beispiel dafür, dass Bürgerbeteiligung nicht wirklich erwünscht ist", so die VertreterInnen der Bürgerinitiativen Marchfeld-Groß Enzersdorf (BIM), "Rettet die Lobau" sowie BIGNOT. Abschließend meint Wolfgang Rehm von der Umweltschutzorganisation VIRUS: "Die Totalverweigerung unserer Gegenüber bei allen Themenbereichen ist ein Armutszeugnis. Wir werden auf anderen Ebenen für eine klimaverträgliche Verkehrspolitik weiterkämpfen."

Damit hat sich leider einmal mehr bestätigt, dass auf (schriftliche!) Zusicherungen von Politikern und deren Beamten kein Verlass ist. Wurde uns doch anfangs schriftlich in einem von allen unterzeichneten Papier ein „fairer, ergebnisoffener Diskussionsprozess“ zugesichert.
Von dieser Absicht war jedoch leider auf Seiten unseres Gegenübers nichts zu merken.

Konkreter heißt das beispielsweise:

  • Eine Diskussion über den eigentlichen Auslöser des Runden Tisches, nämlich die S1, wurde von Anfang an kategorisch verweigert. Entgegen der schriftlichen Vereinbarung.
  • Die Stadt Wien führte auch während des Diskussionsprozesses ihre „Gehirnwäsche-Kampagne“ weiter fort.
  • Eine von unserer Seite ausgearbeitete Fragenliste zu fundamentalen Themen wurde äußerst dürftig beantwortet. Auf klimarelevante Punkte wurde überhaupt nicht eingegangen.

Den letzten Anstoß, unsere Teilnahme aufzkündigen gibt ein Papier, das den Diskussionsstand am Runden Tisch wiedergeben sollte:

  • Dieses Papier gibt aber die Diskussion am „Runden Tisch“ gemäß der Protokolle in keinster Weise wieder.
  • Strategiepapiere von Wien und NÖ werden als Diskussionsprozess dargestellt.
  • Das wichtigste offizielle Papier zu dem Thema – nämlich der Endbericht zur Strategischen Umweltprüfung ("SUPerNOW") - blieb allerdings gänzlich unberücksicht, obwohl es sogar in der Geschäftsordnung explizit angeführt wurde.
  • Das Hauptanliegen der Umweltschützer – nämlich der Klimaschutz - wird gar nicht dargestellt.
  • Kritikpunkte der Umweltschützer an der ersten Fassung wurden nicht berücksichtigt.
  • Völlig im Widerspruch zur "Geschäftsordnung" wird nur der Öffentliche Verkehr behandelt, eine Gesamtbetrachtung der Verkehrssituation im Nordosten Österreichs fehlt gänzlich.
  • Diverse Versionen des Papiers wurden offenbar vorab von Stadt Wien "überarbeitet“ (zensuriert) – das war gegen die Abmachungen.
  • Bei den ÖV-Maßnahmen (ÖV = Öffentlicher Verkehr) fehlt die fachliche Bewertung.
  • Die ÖV-Maßnahmen werden verzerrend gegenüber den ursprünglichen Beschlüssen dargestellt. Statt konkreter Beauftragungen gibt es nur Wünsche
  • Verzögerung des Papiers: Aus vereinbarten drei Wochen zur Erstellung wurden schlussendlich fast drei (!!!) Monate.
  • Eine Auflistung  der "Bruchlinien" und gegensätzlichen Ansichten fehlt vollständig.
  • Straßenprojekte und deren Bewertung kommen nicht vor.
  • Zum Kapitel „Verkehrsvermeidung“ steht absolut nichts im Papier.

Für uns heißt das keinesfalls, dass wir den Widerstand gegen diese unsinnige Verkehrspolitik im Nordosten Österreichs aufgeben werden. Das Projekt wurde immerhin um drei Jahre aufgeschoben, das gibt uns viel Zeit für Information und Aktionen…

Die Pressekonferenz zum Ausstieg der NGOs und BIs aus dem Runden Tisch ist zu hören unter
http://cba.fro.at/show.php?lang=de&eintrag_id=7652
(Rechts auf Download oder Stream klicken - Größe der Datei: ca. 65 MB)

Zeitungsartikel und Presseaussendungen zum Thema sind nachzulesen unter „Medienberichte“.